Dellenbaugh, Mary. 2014. Die Stigmatisierung Berlin-Marzahns als Ausdruck kulturelle Hegemonie des Westens im vereinten Deutschland in Gölz, C. and A. Kliems (eds.). Spielplätze der Verweigerung. Gegenkulturen im östlichen Europa nach 1956. Weimar; Böhlau-Verlag, pp. 222-237.
„Heutzutage erscheint das nahezu natürlich, dass irgendwie Gründerzeit-Altbau, Innenstadt cool und lebenswert ist, und dass die Platte menschenfeindlich wäre“.[1] Dieses Zitat aus einem Interview mit einem deutschen Stadtforscher fasst die Situation in Ost-Berlin gut zwei Jahrzehnte nach der deutschen Wiedervereinigung treffend zusammen. Nach 40 Jahren Vernachlässigung durch die sozialistische Regierung erfahren die Innenstadtbezirke des Industriezeitalters, die in den Jahren nach dem Mauerfall saniert wurden, eine regelrechte Renaissance. Dem gegenüber steht die Stigmatisierung der Großwohnsiedlungen der sozialistischen Zeit. Rückblickend erscheint diese Situation als naheliegende und zu erwartende Folge urbaner Entwicklungsdynamiken wie Sanierung, soziale Segregation und Suburbanisierung. Dagegen wird in diesem Artikel versucht, die Prozesse der Stigmatisierung der Großwohnsiedlungen an Berlins Stadträndern als ein Resultat der sofortigen performativen und diskursiven Etablierung politischer, kultureller und symbolischer Macht unmittelbar nach der deutschen Wiedervereinigung zu fassen.