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Ich habe mich riesig gefreut, als Jan Böhmermann meine Arbeit zur gendersensiblen Stadtentwicklung aufgegriffen hat, und noch mehr, dass ich in seiner Sendung dazu etwas sagen durfte. In diesem Beitrag möchte ich meine Aussage darüber, wie der höhere Anteil von Frauen an Care-Arbeit dazu führt, dass sie sich anders durch unsere Städte bewegen, mit ein paar Statistiken aus Deutschland etwas mehr Kontext geben.
Sehen Sie sich die ganze Show hier an (meine 15 Sekunden Ruhm sind ungefähr ab Minute 20):

Der Bericht „Mobilität in Deutschland“ schlüsselt Mobilitätsdaten hilfreich nach Geschlecht auf, sodass wir besser verstehen können, warum verschiedene Geschlechter unterwegs sind, welche Mobilitätsoptionen sie wählen und wieviele Kilometer sie im Durchschnitt zurücklegen.
Wir wissen aus Selbstauskünften, dass Frauen „Trip-Chaining“ betreiben – das heißt, mehrere Aufgaben oder Wege zu einem Weg kombinieren –, während Männer dazu neigen sich weiter, aber linearer fortzubewegen. Gerade in Städten gehen Frauen für all diese Kurzstrecken eher zu Fuß, fahren Fahrrad oder nutzen öffentliche Verkehrsmittel (oft in Kombination), während Männer deutlich häufiger alleine mit dem Auto fahren. Trip-Chaining ist nicht geschlechtsabhängig, sondern ergibt sich aus der Kombination von Care-Arbeit und Erwerbsarbeit. (Das heißt, wenn Männer Care-Arbeit übernehmen, bewegen sie sich auch so fort!) Schematisch sieht das etwa so aus:

Und die Statistiken belegen dies. In der folgenden Grafik sehen wir den Anteil der Wege nach Wegezweck nach Geschlecht und Altersgruppe geordnet. Die blauen Farben stehen für Fahrten aus beruflichen Gründen, Rot für Einkäufe und Erledigungen, Gelb für Freizeit und Grün für Begleitfahrten (z. B. mit einem Kind oder einem älteren Angehörigen).

Was man deutlich sieht (auch wenn man kein Deutsch spricht), ist, dass die Gründe, warum Männer und Frauen in den Altersgruppen 30-39 und 40-49 Jahre unterwegs sind, sehr unterschiedlich sind. Kurzum:
Bei Frauen zwischen 30 und 39 Jahren stehen 47% ihrer Fahrten im Zusammenhang mit Care-Arbeit (Begleitung, Einkäufe, Erledigung), während nur 29% ihrer Fahrten aus beruflichen Gründen erfolgen. Bei den Männern der gleichen Altersgruppe ist es fast genau umgekehrt: 48% der Fahrten dienen der Arbeit und 30% der Care-Arbeit.
Dieser Trend setzt sich bis in die nächste Altersgruppe fort, wobei Frauen zwischen 40 und 49 Jahren 45% der Fahrten aus Gründen der Care-Arbeit und nur 32% aus beruflichen Gründen unternehmen, während Männer zwischen 40 und 49 den Anteil ihrer Fahrten aus beruflichen Gründen auf genau 50% erhöhen aber weiterhin nur 30% ihrer Fahrten für die Care-Arbeit sind.
Dies wirkt sich stark darauf aus, wie weit Männer und Frauen im Durchschnitt reisen und welche Arten von Mobilitätsmodi sie wählen.
In der nächsten Grafik betrachten wir die Gesamtzahl der Kilometer, die Menschen mit verschiedenen Mobilitätsoptionen (sogenannten Modi) zurücklegen. Hellblau steht für Gehen, Dunkelblau für Radfahren, Rot für Autofahren, Gelb für Mitfahrer im Auto und Grün für öffentliche Verkehrsmittel wie Züge und Busse.

Deutlich zu erkennen ist, dass ab der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen Frauen im Durchschnitt weniger Kilometer zurücklegen und der Unterschied zwischen den durchschnittlich gefahrenen Kilometern in jeder Altersgruppe zunimmt – Männer legen immer mehr Kilometer zurück, während Frauen immer weniger zurücklegen.
Wir können auch einen klaren Modal Split erkennen – das bedeutet, dass Männer und Frauen unterschiedliche Mobilitätsoptionen wählen, um alles an einem Tag zu erledigen.
Wir sehen insbesondere, dass Männer in Deutschland im Durchschnitt deutlich mehr Kilometer Auto fahren als Frauen und viel seltener als Beifahrer im Auto sitzen.
Diese Zahlen sind nicht nach Siedlungstyp differenziert, was bedeutet, dass es so gut wie unmöglich ist, anhand dieser Grafik nur über die Mobilitätsentscheidungen von Frauen in Städten zu sprechen. Und natürlich wissen wir, dass Menschen in kleineren Städten und ländlicheren Gegenden öfter Auto fahren, unabhängig von ihrem Geschlecht.
Aus dieser Statistik geht hervor, dass Frauen in Deutschland, insbesondere zwischen 30 und 59 Jahren, unabhängig von ihrem Wohnort, aufgrund von Care-Arbeit deutlich häufiger mit Kinderwagen, Pakete und Kleinkinder unterwegs sind. Das macht einen großen Unterschied im Bedarf von Frauen an Mobilitätsangeboten, von öffentlichen Verkehrsmitteln über Fahrradinfrastruktur bis hin zu Sharing-Angeboten.
Um den Mobilitätsbedürfnissen von Frauen in Städten besser gerecht zu werden, müssen wir uns auf Themen wie Barrierefreiheit, Beleuchtung, Fahrradparkplätze in der Nähe von Geschäften und Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs sowie Breite, Qualität und Sicherheit von Radwegen konzentrieren.